Meine Tochter hat's nicht leicht by Lise Gast

Meine Tochter hat's nicht leicht by Lise Gast

Autor:Lise Gast [Gast, Lise]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Saga
veröffentlicht: 2016-04-21T00:00:00+00:00


* * *

Mutter ging es besser. Alle freuten sich, daß sie wieder aufstand und umherging und bei allem dabei war. Mitte August aber legte sich Erika ins Bett. Der Doktor dachte zuerst, es sei nur die übliche Sommerkrankheit, ein verdorbener Magen. Es zeigten sich aber häßliche Vergiftungserscheinungen. Sorgenvolle Tage und Nächte folgten. Erika lag im Bett und erkannte keinen, und Reni lief verstört umher und zerriß sich das Herz mit Vorwürfen. Jedes häßliche Wort, das sie Erika gegenüber gesagt hatte, wuchs vor ihr ins Riesenhafte, und — — ja, auch die Gedanken, die sie so oft hegte, quälten sie. Oh, sie würde nie, nie wieder so etwas denken, wenn Erika nur wieder gesund würde!

Als es dann besser wurde, waren beide verändert, Erika und Reni. Erika noch matt und blaß und ohne Interesse an allem, was Reni ihr zu erzählen versuchte — — Reni liebevoll und reuig um sie bemüht. Es war bisher eigentlich immer so gewesen, daß Reni, obwohl sie die Jüngere war, alles anordnete, über Erika verfügte, ja, sie manchmal recht tüchtig hatte betteln lassen, wenn Erika bei irgend etwas gern mittun wollte. Jetzt war es Reni, die bettelte.

„Soll ich dir Himbeeren holen, Erika, ja? Möchtest du welche? Vater sagt, du darfst wieder essen, was du willst. Oder möchtest du lieber etwas anderes?“

Erika wollte nichts als daliegen und Ruhe haben. Das war für Reni unbegreiflich, und sie fühlte noch immer die große Angst um die Freundin auf ihrem Herzen hocken. Wenn Erika doch einmal, ein einziges Mal lachen würde!

Schließlich vertraute sie sich Vater an. Sie hoffte zuversichtlich, daß er sagen würde: ‚Laß ihr Zeit! Das ist ganz in Ordnung so.‘ Er sagte aber:

„Ja, Reni. Das macht mir auch Sorgen. Große Sorgen, Kind. Wenn du sie nicht aufregst — das darfst du natürlich nicht — dann versuch’ es nur immer wieder, ihr Interesse zu wecken. Sie ist mir gar zu apathisch.“

Reni wagte nicht zu fragen, was ‚apathisch‘ bedeutete. Es klang ihr düster und bedrohlich. Schließlich sah sie im Lexikon nach. Es hieß ‚gleichgültig‘. Sie atmete ein wenig auf.

Mutter hatte erlaubt, daß sie wieder mit Erika in ihrem gemeinsamen Zimmer schlief. So lag sie in den Nächten, die noch immer, selbst hier am Berghang, unerträglich heiß waren, oft stundenlang wach, auf den Ellenbogen gestützt, und sah zu Erika hinüber. Schließlich lief sie an einem frühen Morgen zu Christian. Sie hatte die ganze Nacht daran gedacht und fast gar nicht geschlafen.

„Christian, komm doch mal mit zu Erika. Vielleicht kannst du sie etwas aufmöbeln. Ich hab’ solche Angst, solche schreckliche Angst!“

Christian war schon wach und saß mit einem Schulbuch am Fenster. Er arbeitete oft frühmorgens. Reni sah an seinem Gesicht, daß auch er sich große Sorgen machte.

„Warte, ich will noch etwas holen“, sagte er, als sie kurz vor Erikas Zimmer waren, und lief noch einmal zurück. Dann kam er Reni nach, atemlos. Sie schlüpfte vor ihm ins Zimmer.

Erika schlief nicht, sie sah den beiden entgegen. Aber ihre Augen waren halbgeschlossen und ganz, ganz fern. Reni rief sie leise an. Erikas Blick sammelte sich.

„Du



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